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Weihnachten
In unserer friedlosen, von Leid zerrissenen Welt ist Jesus als Kind zur Welt gekommen. ER liegt in einer Krippe, weil in der Herberge kein Platz für ihn war. Manch einer hätte wohl erwartet, dass Gott, der uns in diesem Kind ganz nahe gekommen ist, sich auf großer Bühne und vor einem illustren Publikum präsentiert.
Doch das ist seine Sache nicht. Gott hat einen anderen Weg gewählt. ER zeigt sich nicht bei den Mächtigen und Reichen, sondern bei armen Hirten. Menschen schauen gerne nach oben. Gott schaut gerne nach unten und zeigt sich gerade dort, wo man ihn nicht vermutet. Er hat uns das Krippenkind aus reiner Liebe gesandt. Durch dieses Neugeborene möchte er eine große Liebesgemeinschaft stiften.
So ist der Welt an Weihnachten eine großartige Perspektive geschenkt worden. Eine Perspektive, die wie ein Netz alle Menschen weltweit in Frieden und Gerechtigkeit miteinander verbindet und trägt.
Jedes Jahr zu Weihnachten spüren viele von uns den Wunsch nach Liebe, Geborgenheit und Frieden. Wie kein anderes Fest löst Weihnachten ein Gefühl, eine tiefe Sehnsucht aus. Die "Heilige Nacht" bedeutet für nicht wenige Menschen die Diskrepanz zwischen dem, was die weihnachtlichen Texte und Gesänge verkünden, und dem, was sie als ihre Lebenswirklichkeit schmerzhaft empfinden.
Das kann einen melancholisch stimmen, sogar in Schwermut versinken lassen. Mag sein, dass die Weihnachtsbotschaft in unserem Leben nichts heil und gut machen kann, aber sie kann die Unzulänglichkeiten sichtbar machen. Sie kann uns bewusst machen, wie sehr wir in festgefahrenen Gewohnheiten und Handlungsmustern verstrickt sind, so dass wir den Blick aus einem neuen Winkel heraus gar nicht mehr wagen. Die Botschaft von Weihnachten sagt: Es könnte anders sein! Damit öffnet sie aufs Neue den Blick für eine heile Welt.
Darin liegt ein eigener Wert.
Denn schlimmer als eine Welt, in der dem Frieden auf Erden, wie ihn das Weihnachtsevangelium verkündet, keine Wirklichkeit entspricht, ist eine Welt, in der wir uns mit dem Status Quo abgefunden haben.
Gerade die Heilige Nacht soll uns bewusst werden lassen, was wir allzu oft im übrigen Jahr als fast selbstverständlich hinnehmen: Unfriede und Lieblosigkeit. Wenn wir uns von der Weihnachtsgeschichte berühren und sie auf uns wirken lassen, kann sie eine Chance sein, dass wir uns plötzlich realisieren, wie abgestumpft wir in Bezug auf vieles geworden sind, wie selten wir uns noch wirklich von etwas ergreifen lassen. Es könnte, ja es soll anders sein!
An Weihnachten hat die Melancholie über die Diskrepanz zwischen der Weihnachtsbotschaft und der Realität unseres Lebens einen Platz. Ganz besonders während dieser Corona-Pandemie soll diese Botschaft uns nachdenklich stimmen. Paradoxerweise kann gerade in einer gewissen schwermütigen Weihnachtsstimmung plötzlich das Licht von Bethlehem über unserer düsteren Existenz aufstrahlen. Gerade eine solche Stimmung kann den Blick in die Tiefe öffnen und uns über unsere kleine menschliche Existenz hinaussteigen lassen. Tränen der Trauer und Tränen der Freude berühren einander dann.
Begeben wir uns mit den Hirten an die Krippe - für diese Männer aus der Nähe von Bethlehem fand in der Begegnung mit dem Kind auch ein Perspektivenwechsel statt. Für sie war danach nichts mehr so, wie es war - weil sie selbst zu anderen Menschen geworden waren. Von der Krippe geht eine Kraft aus, die unser Herz öffnet für eine friedvolle gesegnete Zukunft.
(Predigt von Dom Chris in der Mitternachtsmesse 2020)