Gemeinschaft
»Du musst nicht über die Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und musst nicht die Alpen überqueren. Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit: Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen.«
Dieses Wort des heiligen Bernhard von Clairvaux scheint die Begegnung mit Gott leicht zu machen. Aber - bin ich wirklich bei mir selbst?
Der heilige Bernhard wusste, dass es vieles gibt, was den Menschen ablenkt, wenn er 'in sein Herz zurückkehren' will, wie er sagt. Aber nur in dieser Einkehr in die Tiefe seines Herzens findet der Mensch sich selbst - und nur so findet er wieder zurück zu Gott.
Diesen Weg der Einkehr und Rückkehr konsequent zu gehen, war das Ziel der zwei Trappistinnen, die 1984 am Donnersberg über der Ortschaft Dannenfels den ersten Anfang für eine Neugründung machten.
Eine Neugründung hat ein besonderes Charisma - das haben wir in diesen Jahren immer wieder erlebt. Mitten in all den Schwierigkeiten eines Neuanfangs war Gottes Nähe stets erfahrbar. Dabei hat sich ein Lebensstil entwickelt, der zugleich offen und konsequent ist.
Der Anfang war klein und kostete deshalb viel Zeit und Mühe. Aber das hat sich als sehr gut erwiesen, denn so sind wir Schwestern zu einer echten Gemeinschaft zusammengewachsen. Wir sind eine kleine Gemeinschaft, die alles miteinander teilen will, unsere Fähigkeiten, unsere Zeit und unsere Kraft, das Schöne ebenso wie das Schwere.
Wir helfen auch zusammen, um uns mit unserer Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei gibt es nicht nur in unseren Werkstätten zu tun (Paramentenstickerei und -schneiderei, Buchbinderei, Kerzen) sondern auch im Haus, in Garten und Wald, in Küche und Waschküche... Es ist nicht wichtig, was man tut, sondern wie man es tut: aus Liebe zu Gott und den Menschen und in Achtung vor der Schöpfung.
Denn im Mittelpunkt unseres Lebens steht Gott. Alles, was wir tun, ist eine Antwort auf Gottes unfassbar große Liebe zu uns. Immer wieder betont der heilige Bernhard das Wort aus dem 1. Johannesbrief:
»Gott hat uns zuerst geliebt.«
Deshalb ist unsere Zeit geprägt vom gemeinsamen Gebet zu bestimmten Stunden. Dieses 'Stundengebet' gibt unserem Tagesablauf eine heilsame Ordnung und hilft uns, die Arbeit immer wieder auf Gott hin auszurichten. Doch wir haben nicht nur die Zeit, in der wir gemeinsam beten, essen, arbeiten; der frühe Morgen ist unser Freiraum, in dem jede Schwester allein sein kann mit Gott...
Das ist eine Zeit des Schweigens, der Stille und der Sammlung.
Die Nacht spielt eine besondere Rolle bei uns. Wie viele große Beter vor uns machen auch wir die Erfahrung, dass die Stille und Dunkelheit der Nacht eine Atmosphäre für das Gebet schafft, die während des Tages nicht mehr wiederkommt. Es ist eine kostbare Zeit, in der wir noch frei sind von den Eindrücken, die der Tag mit sich bringt. So fällt es uns leichter, alles beiseite zu lassen und uns auf Gott zu konzentrieren. Dabei nehmen wir ganz bewusst auch die Nachtseiten des Lebens in unser Gebet mit hinein: Krankheit, Leid, Schuld, Tod. Denn gerade Menschen in Krankheit und Not vertrauen darauf, dass wir im Gebet an sie denken.
»Umfasse die ganze Welt mit einer einzigen Umarmung deiner Liebe. Allen öffne dein liebendes Herz; für sie vergieß deine Tränen, für sie trage deine Bitten vor Gott.«
(Aelred von Rievaulx, Zisterzienser des 12. Jahrhunderts)
Niemand kann ja für sich allein Christ sein. So fühlen wir uns verbunden mit allen Menschen, letztlich mit der ganzen Schöpfung, die Gott in den 'neuen Himmel und die neue Erde' verwandeln will. Das ist für uns nicht nur ein unbestimmtes Gefühl - diese Verbundenheit üben wir ganz konkret im alltäglichen zusammenleben in unserem Kloster ein. Kein Mensch kann die ganze Welt verändern, aber jeder kann damit bei sich selbst anfangen.