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Ostern - Das leere Grab
Das Grab, in dem Jesus bestattet wurde, war noch neu, unberührt. So wie der Schoß Marias jungfräulich war, als sie vom Heiligen Geist empfing, so war dieses Grab "jungfräulich", als es den Leichnam Jesu empfing. Und so, wie der Mutterschoß Marias die Geburt Christi vorbereitete, so bereitete dieses Grab seine Auferstehung vor. Das Grab Jesu ist das Grab, in dem der Tod begraben wurde.
Am ersten Tag der Woche gehen Petrus und Johannes zum Grab. Der Stein vor dem Grab ist weggewälzt, und beide betreten die Grabkammer. Sie ist leer - dort liegen nur die Leinenbinden und das Schweißtuch. Von Johannes heißt es: "Er sah und glaubte" (Joh 20,8). Die Leere des Grabes wird für ihn auf einmal transparent auf Gott hin. Sie ist wie ein Fenster zur Auferstehung. Aus dem Gewohnten erhebt sich das Ungewohnte. Der liebende, tiefsinnige Blick des Johannes reicht weiter als sein alltägliches Wahrnehmen. Blitzartig erkennt er das Geheimnis des leeren Grabes.
Beim Tod Jesu am Karfreitag riss der Vorhang im Tempel mitten entzwei. Der leere Raum hinter diesem Vorhang zeigte die Gegenwart Gottes an. Mit dem Sterben Jesu wurde das ganze Weltall zum Tempel. Jetzt ist der Stein vom Grab weggewälzt. Der Auferstandene ist nicht mehr da. Er übersteigt alle Grenzen und Einschränkungen. Er kennt kein Wie, Wann oder Wo. Er ist der kosmische Christus, der das ganze Universum erfüllt. Zeit und Raum existieren nicht mehr für ihn. Er hatte vorher prophezeit: "Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen" (Joh 12,32).
Liebe Schwestern, das heutige Evangelium zeigt, dass der Osterglaube mit einer Transformation des Bewusstseins zu tun hat. Wenn Johannes das leere Grab betritt, findet eine solche Ttransformation statt. Er hat die Sprache des leeren Grabes verstanden.
Diese Leere lässt keine Definition oder Erklärung zu. Das Ostermysterium muß immer eine offene Größe bleiben, wie das Grab Jesu. Jeder Versuch, den Schleier dieses Mysteriums zu lüften, ist vergeblich. Die große Gefahr ist immer, dass man versucht, das Ostergeheimnis zu erklären und auszulegen.
Kontemplatives Leben hat in seiner Mitte einen "leeren Raum", eine Leere, in der Gott sich zeigt. Diese Leere muß man aushalten, denn würde man sie ausfüllen, hätte Gott keinen Platz mehr, um seine Gegenwart und Nähe zu offenbaren. Ich wünsche uns allen, dass wir einen Hauch jener geheimnisvollen Erfahrung des leeren Grabes erfahren dürfen.