Kloster Gethsemani

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Liebe und Freundschaft (Zu Joh 15,9-17)

Wie wichtig ist es für Jugendliche, von vielen geliebt zu sein! Sie möchten möglichst viele Freunde und Freundinnen haben, viele "likes" im Internet bekommen und versuchen, auf dem Smartphone etwas darzustellen.

Bemerkenswert ist, dass junge Leute, die zusammenleben oder sogar verheiratet sind, einander immer seltener als "meine Frau" oder "mein Mann" vorstellen, sondern mit dem Vornamen oder als Freund oder Freundin. Geheiratet wird sowieso immer seltener; Freundschaft und von vielen "gelikt" zu werden, scheint das Wichtigste zu sein, auch viel wichtiger als die Zuneigung für die eigene Familie.

Psychologen betonen, dass der Wunsch, von vielen geliebt zu werden, die Sehnsucht nach wahrer Freundschaft nicht zu stillen vermag, sondern im Gegenteil die Erfüllung dieser Sehnsucht immer schwieriger macht. Auch moderne Religionsphilosophen sind davon überzeugt, dass die zahllosen Sendungen im Fernsehen und Internet, in denen es nur noch darum geht, bewundert und "gelikt" zu werden, ein Hinweis darauf sind, wie selten wahre Liebe und Freundschaft geworden sind - und wie sehr sich die Menschen dennoch danach sehnen.

Man spricht von einem inflationären Zur-Schau-Stellen der angeblich großen Liebe, wobei doch alles auf Selbstdarstellung reduziert ist. Intimes und Privates wird ungehemmt in der Öffentlichkeit gezeigt. Die wahre Freundschaft, von der Goethe und Hermann Hesse sprechen, hat man eingetauscht für eine oberflächliche Selbstbestätigung.

Jesus nennt im heutigen Evangelium seine Jünger Freunde und sagt: "Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt." Dabei geht es nicht um eine Freundschaft im Sinne von: Wir bleiben zusammen, solange die Verbundenheit hält, solange wir Spass miteinander haben. Denn lang dauernde Beziehungen stehen im Verdacht, langweilig zu sein. So zerbrechen viele Beziehungen schnell wieder. Jesus aber lädt seine Jünger ein, in seiner Liebe zu bleiben: "Bleibt in meiner Liebe." Eine solche Beziehung muss gepflegt werden, sonst verwelkt sie. Liebe und Freundschaft können nur wachsen, wenn man immer wieder aufs neue Offenheit, Vertrauen und Hingabe einsetzt. In der Tat: Liebe hat mit Hingabe zu tun - und der Preis dieser Hingabe kann sehr hoch sein! "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt", sagt Jesus.

Hingabe, das bedeutet: Ich muss bereit sein, mich mit meinem ganzen Leben einzubringen. Das hat mit Selbstvergessenheit zu tun. Liebe ist nicht etwas für ein paar nette Stunden. Wahre Liebe steht im Gegensatz zu Oberflächlichkeit und ist nicht zeitlich begrenzt. Die Liebe, mit der Jesus uns liebt, ist beständig und unwiederruflich - das absolute JA Gottes zum Menschen.

Liebe Schwestern,
sich von Gottes Liebe beschenken zu lassen, ist ein spirituelles Abenteuer. Es befreit uns von dem, was verhärtet und verkrustet in uns ist und öffnet uns für Gott und füreinander. Wenn dieses spirituelle Liebesabenteuer sich viele Jahre bewährt hat, entsteht eine so intensive innere Freude, die nur Gott, der selbst die Liebe ist, uns schenken kann.

(Predigt von Dom Chris am 09.05.2021)