Kloster Gethsemani

Neues

Verliebt in die Liebe

In diesen Tagen jährt sich wieder der Todestag von Dom Chris, unserem Spiritual. Die Erinnerung an ihn ist noch sehr lebendig, und manche Predigten bleiben im Gedächtnis - wie die folgende, die er anlässlich einer Profess hielt:

Die Liebe zwischen zwei Menschen ist ein seltsames Spiel. Sie hat immer etwas Überraschendes und ist nie selbstverständlich. Man kann sie nicht erzwingen, man erhält sie umsonst. Liebe ist immer ein Geschenk.

Deshalb fragen Verliebte auch: "Warum gerade ich? Es gibt soviele andere, die hübscher, die klüger sind..." Geliebt zu werden, bedeutet Anerkennung, Bestätigung: Ich bin liebenswert; ich bin es wert, geliebt zu werden.

Liebe weckt immer das Verlangen nach Einheit, nach Eins-Sein. Man möchte alle Grenzen überschreiten und ganz im anderen aufgehen. Doch in jeder Liebe kehrt irgendwann der Alltag ein. Dann werden die Grenzen erfahren, die eigene Begrenztheit und vor allem das Anders-Sein des anderen. Dann kommt die Phase, in der man sich aneinander gewöhnen muss. Man muss lernen, miteinander auszukommen. Dabei muss man auch einmal nachgeben oder Kompromisse schließen.

Deshalb sagen junge Leute heute oft: "Ich kann mich nicht für mein ganzes Leben an einen Menschen binden, das ist mir zu unsicher."

Aber es gibt auch Menschen, die sich aus einem ganz anderen Grund nicht an einen Menschen binden wollen: Sie verlieben sich in die Liebe selbst - in Gott, der die Liebe ist. Auch solch eine Berufung ist am Anfang etwas sehr Schönes. Die Berufung, die Erwählung durch Gott wird als ein wunderbares unverdientes Geschenk empfunden. Doch auch das Anders-Sein Gottes wird bald erfahren. Vor der Größe Gottes sehe ich meine Kleinheit, vor der Heiligkeit Gottes meine Sündhaftigkeit. Die Verschiedenheit zwischen Gott und Mensch ist so groß, dass es keine Brücke zu geben scheint.

Und doch sprechen unsere Väter von Cîteaux von der Ähnlichkeit, der Verwandtschaft zwischen Gott und Mensch. Unserem tiefsten Wesen nach sind wir Abbild Gottes. Der heilige Augustinus betete: "Du hast uns auf dich hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, o Gott." Aber der Mensch hat sich Gott entfremdet; Adam versteckte sich vor Gott. Er begann damit, sein eigentliches Wesen zu verbergen. Er setzte sich Masken auf und spielte Rollen. Er vergaß seine eigentliche Bestimmung, Bild Gottes zu sein.

Will der Mensch sein eigentliches Wesen wiederfinden, muss er sich auf die Rückkehr zu Gott machen. Das bedeutet, alle Masken fallen zu lassen ("Ich bin beliebt" - "Ich bin erfolgreich" - "Ich bin schön") und alle Rollen aufzugeben. Wer sich ganz Gott zuwendet, muss alles loslassen und auch sich selbst zurücknehmen, damit Gott in ihm Raum gewinnen kann.

Die Umkehr zu Gott ist ein großes Abenteuer, weil sie eine "Umwertung aller Werte" ist: "Wer sein Leben liebt, wird es verlieren. Wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird das ewige Leben gewinnen." Wer kann dieses Paradox verstehen? Für den Mönch sind "die Züge längst abgefahren"; Geld, Macht, Prestige, Karriere, all das zählt für ihn nicht mehr. Er setzt alles auf eine Karte, er hat nichts mehr zu verlieren.

Damit gewinnt er aber eine unendliche Freiheit. Er kann es wagen, so vor den Menschen und Gott zu stehen, wie er ist. Mehr will Gott nicht von uns. Wir brauchen uns seine Liebe nicht verdienen. Sie ist reines Geschenk für den Menschen, der ganz einfach und offen vor ihm steht. Wer sich so beschenken lässt, wer so aus der Gnade Gottes lebt, ist neu geboren, er hat die Ähnlichkeit, die Verwandtschaft mit Gott wiedergefunden.

Wenn Sie nun fragen: Kann ich das? Kann ich das wagen? Werde ich nicht enttäuscht werden? - dann sage ich: Gott wird Sie nicht enttäuschen, wenn Sie das Abenteuer von ganzem Herzen wagen!